Mein Gedicht 2019

Dezember 2019

Dezember2019

Der Mensch kann nicht zu neuen Ufern aufbrechen, wenn er nicht den Mut aufbringt, die alten zu verlassen.
André Gide


rückblick

in den engen gassen meiner jugend
verstopfte die sehnsucht alle pläne
staute sich die hoffnung am morgen

in der nische des kleinen cafés
spannte ich meine träume
über die kluft zum gestern

mit einem schneemantel über der seele
ging ich am großen fluss entlang
der sommer war auf der anderen seite

als sich die finsternis neben mich legte
kamst du über den regenbogen
und sprachst von liebe

<© Jörg Zschocke>


Visionen

Nur für kurze Zeit
Lasst mich ruhn
Den Klängen lauschen
Ich liebe diese Töne
Die choralen Gesänge

Nur für einen Moment
Lasst mich die Augen schließen
So will ich den Stern suchen
Der mich rief
In einer Vollmondnacht
Da ich träumte

Erinnert euch
Es wird Schnee fallen
Die Türen blieben verschlossen

Lasst mich verweilen
Im Gedenken
An die, die gefallen sind
Die noch nach uns kommen
Die jetzt an unserer Seite gehn

Das Leben ist mit mir

<© Sabine Fenner>


Zauber des Lebens

Ausgespannt zwischen
Licht und Schatten.

Eingepasst in die Zeit.

Spüre das Abenteuer
des Jetzt.

<© Barbara M. Hauser>


La Bohème

In kräftigen Farben voll Wärme tragend,
mal ich mir die Liebe aus.

Sinneserschütternd weit und verrückend,
betäubend und stark in der Realität.

In Leben und Tot,
im Sommer und Winter,
an heißen und kalten Tagen.

Trage ich dein Herz und du trägst meines –
verbinden sich in Ewigkeit zu einem.

<© Xenia Hügel>


reflexion

an schüchternen tagen
flüstert der baum
fallen blätter

leise

windlaunig auch
mein leben ohne dich
in nur einem einzigen gedicht
steht dein name

<© Christa Issinger>


bewegung

alles was mich bewegt bewegt sich
durch meine finger
auf den bildschirm
wozu eigentlich braucht das bild
einen schirm
muss es geschützt werden
vor den tränen
einer anderen zeit
oder vor den tränen der bäume
in denen der weltschmerz hängt wind
bewegt die blätter die kargen
und rüttelt am stamm
und am innern
was du liest bewegt
etwas vielleicht oder
hält dich mich
ein gedicht

<© Diana Jahr>


Auferstehung

im alten Garten
auf dem Berg
liegen Gedanken im Nebel
wächst auf Deinem Fleisch
das Gras
und behaart das Herz
gerade erst
vom heißen Blutsturz genesen
schon wieder
kalt wie Methan
tropfendes Bries
scharfes Gift

im unschuldigen Fleisch
zwischen den Schenkeln
erinnert es
an die Täuschungen
wie ein Feuer im Meer
nistet in Dir
der Frost
ich frage mich
welches Leben
ans Kreuz genagelt
wieder und wieder
aufersteht
im alten Garten

auf dem Berg
wächst das Gras
nicht

<© Harald Kappel>


Schattenwurf

Ein Schatten hinter mir
in mir
verschleierte meine Schritte
leerte meine Worte
jedes Versprechen

Heute zeige ich mit dem Finger auf mich selbst
möchte verstehen, den Grund berühren

Öffne meine Augen
kehre zurück nach Hause

<© I.J. Melodia>


variationen über flurnamen

ich kenne ein land
das es nicht mehr gibt
deine augen wohnen in ihm
deine stimme
wir wandern heimwärts
manchmal vielleicht auch seitwärts
sicher seitwärts!
weil heimwärts ist immer eine andere richtung
als unser gang

ich kenne kein land
das es noch gibt
sagst du
ich kenne überhaupt kein land
sage ich
und so gehen wir gemeinsam einen weg
in eine andere richtung
als unser gang
vortäuscht

ich kannte ein land
mit deinen augen
deiner stimme
dort will ich hin
und bleiben
in jenem land
halten wir die hand ans ohr
steht der garten still
warten in den straßen die unbeugsamen

<© Werner Weimar-Mazur>


Zu Füßen

In Falten hat der Tag
sein Kleid gelegt. Ich ziehe Fäden
aus dem Saum und kauere
an ausgefransten Zipfeln.
Am Waldrand hängen Träume
in den Wipfeln,
und mit dem Herbstlaub
treiben sie mir in die Hand.
Der Regenbogen
lässt am Rand
der Stadt die Farben fallen:
In einer Pfütze schimmert ölig
noch ein letztes Stück.
Gebückt ergreife ich,
was mir im nächsten Augenblick
entrückt.
Mein Glück
lag immer schon
zerzaust im Kleinen.

<© Sigune Schnabel>


morgengeräusche

alles bewegt sich nah am gedicht

der matte morgen und der mund
der dicken kassiererin, wie er
monoton beträge singt
die zuverlässigkeit selbst-
schließender türen
und rasches geklacker
auf asphalt

allen dingen haften buchstaben an

worte, aus der luft gegriffen
klappen ihre flügel ein
und suchen ihre brutplätze
auf papier

<© Gabriele Pflug>


.

zünd an zünd an die lichter
zäh liegt der fluß
taumelt ein kegel sucht
über verkrauteten wegen
in der spur zu gehen zum nachbarn
durch das blickrund
zu den toren den türen
die sich öffnen der hand
dem rhythmus der worte
fester zieht die nacht das tuch
über die enden der straßen
wächst der stein
zünd die lichter

<© Kathrin Külow>


Novembernächte. Herbstes Tage.

Mitte Sechzig.

Bleibt mir noch genügend Zeit
mit dem, den ich mir neu erliebe?
Für ein wenig forsche Weltaufmüpfigkeit,
von der ich gerne öfter schriebe?
(Und es dennoch meide, da mir Kühnheit fehlt
dafür, trotz aller Lebensstürze.)

Immer wieder Grübelspuren.
Unrast schwelt in mir.
Es scheint, das Jahr verkürze sich im Alter,
hastet zwischen Kür und Pflicht.
Zu selten gibt es Mußestunden.
Meine Tage schwingen nicht im Gleichgewicht,
als ob sie selbst sich überrunden müssten,
ungezähmten Fohlen ähnelnd, wild.

Und ich pulsiere gleicherweise.

Doch am Abend, wenn das Dunkel
um mich steigt, pausiert das Rennen.
Meine Reise durch die Stunden neigt sich
warm und windgeschützt im Arm des Einen,
der die Gleise enden lässt und der nicht fragt,
ob es ihm nützt. Der möchte, dass ich Stille wage.

Novembernächte. Herbstes Tage.

<© Elke Kaminsky>


Neuland

Zeit die Segel zu hissen,
salzige Tränen zu schmecken,
der Ferne entgegen zu blicken.

Mich von der Liebe
zu neuen Orten bewegen lassen.
Dem Herzen keinen Rückzug gewähren.
Offenheit und Vertrauen wahren.

Weil deine Liebe

immer mit mir zieht.

<© Julie Greiner>


Zaubereien

Kurz an den Nebelfäden ziehen,
einen Vers aufrollen, der über den
schlafenden Gräsern schwebt.

Die Muse bläst ins Horn und schon
erwacht die Hexe in mir, verreibt die
gefrorene Erde zwischen den Fingern.

Worte legen sich wie zappelnde

Glieder auf den Zeilenaltar. Es öffnet
sich ein Spalt in der Gedankentür und

ohne Kompass oder der Ausrichtung
von Sternbildern, findet der Minotaurus
den Weg aus dem Labyrinth.

<© Marina Maggio>


.

Schneefall, eine Unendlichkeit,
die sich breit macht.
Eine Sichtbarkeit Stille,
die an erste Worte rührt.

Zugedeckt. Behutsam. Auf der Hut sein.
Bereit. Immer das Sagen des Anfangs,
das sich übersteht. Wer versteht das
Verborgene, das an kein Ende kommt?

<© Barbara Hampel>

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. zauberadmin sagt:

    Lauter Perlen, die aufgefädelt einen kostbaren Schmuck ergeben!
    Jedes Gedicht ist wunderschön!
    Danke, lieber Jörg, für dieses Jahr!
    Liebe Grüße
    deine Gabriele

  2. den worten von gabriele schließe ich mich voll und ganz an! danke!
    liebe grüße
    deine diana

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