September 2018
Geduld ist eine Tugend.
Wenn der Geduldsfaden reißt …
Geduld assoziiert man gemeinhin mit Gelassenheit und Souveränität. Sie gilt als christliche Tugend, als buddhistische Weisheit, als Nonplusultra eines selbstbestimmten, ja besseren Lebens.
Wer bei Kleinigkeiten keine Geduld hat, dem misslingt der große Plan. Konfuzius
geduld (sommerregen)
du kannst den regen nicht
herbei zaubern
er fällt
wann er will
wo er will
oder er fällt nicht
ganz wie er will
<© Monika Reinfurt>
Vom Kai zieht Salzluft
in mein Haar,
und Tage tragen graue Kleider,
gehen stumm an mir vorbei.
Nur Kinder sammeln noch Kastanien.
Zwischen Häuserfluchten
spielen Möwen.
Die Geduld
hat blaue Ränder.
Sieben Meilen fällt mein Wort,
zerschellt im Wind.
Du fügst dich in die Landschaft
wie ein Fels,
und wenn ich spreche,
breche ich
an dir
als Welle.
<© Sigune Schnabel>
kleine beckenpoesie
das becken
schluckt alles (was fließt)
/wie das wasser die kehle hinunter rinnt/
weiß glänzend geduldig
sein lächeln
während ich am abend
meine gedanken hinein
spucke auf träume
hoffe
<© Diana Jahr>
geschenkt
geschenkt
im reifen werden und gedeihen
im planen säen und behüten
liegt ein geschenk verborgen
es wächst aus kleinsten keimen
braucht nur liebe und geduld
und eine hand die schützt
doch leben wird es erst
wenn wasser seine wurzeln stärkt
zur rechten zeit
fehlt dieses nass
wird niemand das geschenk
erblicken/ernten
wohl dem der um die brunnen weiß
aus tiefen quellen süß und stark
des schenkens wahre kraft
geboren
<© Isabella Kramer>
Über Stoppelfelder
treibt der Sommerwind dein Lachen,
windet Erinnerungen
wie Kornblumen um unsere Tage.
Barfuß sammeln wir
die letzten Ähren
in den Korb des Vergessens,
Nachlese einer
wunderschönen Vergangenheit.
Meine Angst vor dem Morgen
verstecke ich
in den Furchen der Zeit.
Das Lied der Lerche
trägt meine Hoffnung
in tiefblauen Himmel.
Warten auf
eine letzte Zukunft.
Solange du bei mir bist,
habe ich Geduld.
<© Jörg Zschocke>
Das stille Arrangement
Die Linse spiegelblank
Licht und Sicht sind gut
ein warmer Windfinger
streicht über das hohe Gras
darin die scheue Fasanenhenne
mit ihren Küken verschwand
Schwalben übertönen
das stille Arrangement
von Mensch und Tier
nebst Kamera
die Sonne sinkt
<© Monika Meise>
Betrachtung
Sie sagten
Ich solle mich in Geduld üben
Nur ist gerade diese Tugend
Nicht für mich geschaffen
Wenn ich es so recht bedenke
Wünschte ich mir mehr Gelassenheit
Brauche ich sie
Will sie sich nicht einstellen
Ich arbeite hart an mir
Ganz gewiss
Wobei ich nicht
Mit dem Kopf durch die Wand laufe
Vielleicht werde ich belohnt
Und ich komme ans Ziel
Meiner Träume
C’est la vie
<© Sabine Fenner>
UNgeduld
Bin voller Unrast dieser Tage,
verworren, fiebrig, ohne Halt.
Es martert mich. Wie eine Plage
durchdringen Bilder jeden Spalt
der Sinne mir und sie verzahnen
Gedanken heimlich mit dem Duft
von Worten. Ungebändigt bahnen
sich diese ihren Weg zur Luft
noch ohne Gleichmaß. Wildes Treiben,
fast überstürzt, bis sie mir dort
begegnen, wo ich ihrer harre. Schreiben.
Erlöst! Ich bin am Ruheort.
<© Elke Kaminsky>
Hinterfragen der Geduld
Geduldiges Ausharren,
verknüpft mit Hoffnung,
ergibt ein unendliches Warten.
Und manchmal frage ich mich,
wann endlich der Faden reißt.
Denn ist Geduld manchmal nicht auch
Verschwendung von kostbarer Lebenszeit?
Man wartet schließlich nicht gerne umsonst.
Doch woher soll man schon wissen,
wann dies der Fall ist…
Ich weiß nicht was größer ist;
Geduld oder Hoffnung,
Naivität, Hilflosigkeit,
stilles Ertragen oder Ehrgeiz?
Aber ich weiß,
mit unserer stillen, leidenden Geduld,
gewähren wir manches Mal Macht
und nehmen uns selbst und anderen
die Chance auf Veränderung.
Darum bleibt die Frage,
in was ich meine Geduld und Kraft investiere.
Und damit meine ich nicht,
den Glauben an ein Wunder zu verlieren!
<© Julie Greiner>
langmut
jemand klopfte an die tür
du öffnetest sie weit
in die nacht
und der regen riefe nach dir
<© Gabriele Pflug>
Kailas
manchmal liegt ein stein
nur so da
und wartet
manchmal ein stück holz
manchmal ein gefühl
(Urfassung 2001)
<© Werner Weimar-Mazur>
Es gibt das Gedicht auch in der italienischen Übersetzung, die Werner noch angefügt hat.
Kailas
talvolta una pietra
giace immobile
ed attende
talvolta un pezzo di legno
talvolta un sentimento
(übersetzt von Petra Ohl, Bonn, 2004, heute Salzburg, siehe auch http://www.petra-ohl.com/it/poesie/werner.html)
Wortweben
Lichtpunkte setze.
Geduldig vernetze Fäden aus Silber und Gold.
Zwischen Geweben verborgenes Leben –
Haken und Ösen – als wär es gewollt
<© Barbara M. Hauser>
Die letzten Stunden, bevor die neuen Beiträge wieder online gehen. Geduld wahren, nicht an Vorfreude sparen. Gespannt sein.
Danke liebe Schreiberlinge fürs teilen eurer Leidenschaft und eurer Gedanken.
Herzlichen Dank Jörg, für deine liebevolle Investition, all dies zu koordinieren und zu pflegen, uns teilhaben zu lassen an deinem Traum von solch einer Plattform.
ihr lieben, auch ich lese jeden monat gespannt eure sichtweisen zum thema 🙂
ich finde diese textzusammenstellungen ganz wunderbar und immer so vielfältig; zusammen hier in diesem schönen poetencafé, (danke, lieber jörg!) wirken sie ganz besonders.
danke euch allen für die feinen texte!