Hoffnung

Dezember 2017

Wieder legt sich ein Jahr zur Ruhe.

Frischer Schnee macht die Trostlosigkeit der kahlen Äste unsichtbar.

Beim gehen durch die Stille wächst neue Hoffnung. Zu Weihnachten ankommen?

Vielleicht.


Wandlung

Als meine Hoffnung zerbrach,
fasste der Strom des Lebens
nach einer Scherbe.

In seinen Tiefen spülte er sie
mit den Kieseln abwärts.
Sand rieselte an ihr entlang.

Plötzlich gaben Wellen
sie vor meinen Füßen frei.
Ein Funke meiner Sehnsucht
ließ sie matt erglänzen.

Rund lag sie an einem Frühlingstag
in meiner Hand.

<© Sigune Schnabel>


pur – ein rezept

beschenkt werden
wo man es nicht
vermuten würde
weihnachten finden
wo man es nicht
gesucht hat
schnee träumen
wenn er sich
wieder verspätet
lieben einfach
weil es so schön
<© Isabella Kramer>


Hoffnungsschimmer

Immergleiche Trauerschlaufen
Kein Impuls der vorwärts trägt
Nebulöser Nervenhaufen
Sorgensammelnder Magnet

Emotionsloses Empfinden
Zugedeckelt depressiv
Die Erlösung leicht zu finden
Ein Zwei Meter friedhofstief

Abgestumpftes Dauerdenken
Auf Repeat im Endlosloop
Keine Kraft um umzuschwenken
Energieverebbte Flut

Schwarze Löcher saugen Leben
Aus dem Herz in sich hinein
Beim finalen Brustkorbbeben
Stürzen die Herzkammern ein

Hoffnung ist da aufzufinden
Wo sie uns zuvor verließ
Lasst uns Leidbefülltes trinken
Jeder Tropfen führt uns tief

In das Herzstück des Gewimmers
Wo noch ein Teil heile Welt
Schwaches Flackern eines Schimmers
Schützend in den Händen hält

<© Simon Felix Geiger>


Einen schönen Advent

Er geht ins Fitnesscenter. Inzwischen einigermaßen regelmäßig.

„Mit sechsundsechzig fängt das Leben erst an“, klingt es in seinen Ohren. Das Lied in seinem Kopf beginnt immer wieder von vorn und vermischt sich mit dem Gedudel der Weihnachtslieder, die ohne Unterbrechung aus den Lautsprecherboxen des Fitnesscenters schallen. Eine schreckliche Mischung. Aber beides kann er nicht ausschalten. Dieses blöde Lied hat sich in seinem Kopf festgesetzt. Nur diese eine Zeile. Mehr weiß er nicht. So ein Schnulze, dröhnt es in seinem Gehirn. So ein Schmarren.

Aber ja, fangen wir halt noch mal an, denkt er und tritt noch etwas kräftiger in die Pedale. Heute trainiert er heftiger als sonst. Verbissener. Mit dem Ehrgeiz eines Vierzigjährigen. Aber geistig ist er irgendwie abwesend.

Die junge Frau neben ihm auf dem Crosstrainer hat ihn ins Grübeln gebracht. Sie dürfte so alt sein wie seine Tochter. Er hatte gesehen, wie sie ihren Sohn bei der Betreuerin abgeliefert hatte. Einen vielleicht vierjährigen Buben mit einer Unmenge von Locken auf dem Kopf und lustig blinzelnden Augen.

Noch einmal war sie ihm dann an den Geräten aufgefallen. Beeindruckend, wie entschlossen sie an die Gewichte heran gegangen war. Unglaublich, wie viel, wie schnell, wie schwer sie gearbeitet hatte.

Auch jetzt ist sie ganz konzentriert. Irgendwie versunken. Überall auf ihrer Haut glänzen kleine Schweißperlen. Sie würdigt ihn keines Blickes. Er kommt sich alt vor. Und irgendwie macht ihn das traurig.

So, genug für heute. Er geht zurück in die Umkleidekabine. Er duscht sich ausgiebig. Aber für die Gedanken ist das Wasser zu heiß. Sie kreisen noch schneller als sonst. Er sollte kaltes Wasser nehmen. Aber dafür ist sein Mut zu klein. Er dreht den Hahn zu, reibt sich ab. Kleidet sich an. Die warme Jacke noch. Die Mütze. Er geht zur Theke und gibt seinen Schlüssel ab.

In der Tür nach draußen stellt er fest, dass er in Socken läuft. Er hat seine Schuhe vergessen.

Werner, der Chef hinterm Tresen sieht ihn zurückkommen. Ein schiefes Grinsen breitet sich über das Gesicht des großen Mannes aus. „Ohne Schuhe würde ich bei dem Wetter nicht nach draußen gehen“, sagt Werner. Ein lautes Lachen schickt er seinen Worten noch hinterher. Beim Lästern ist Werner immer der Erste.

Steffi, die Assistentin, blickt hoch und grinst ihn ebenfalls an, obwohl sie einen Kunden vor sich sitzen hat.

Das Wort Spießrutenlaufen fällt ihm ein. Auch das Wort Alzheimer. Er kommt sich ausgezogen vor. Und irgendwie macht ihn das traurig.

Die junge Frau mit dem Kind auf dem Arm kommt ihm entgegen. Schnell in den Umkleideraum gehuscht, die Schuhe angezogen und raus hier!

Auf dem Rückweg sagt Steffi: „Gute Besserung!“

„Ist es so schlimm?“, entgegnet er irritiert. Dann lacht er. Kurz und gequält.

„Weiß ich doch nicht!“, tönt sie noch. Wie immer hat Steffi das letzte Wort.

Warum hat sie nicht einfach schweigen können? Oder etwas Nettes sagen? Oder ist er einfach nur zu empfindlich?

Die junge Frau mit dem Kind am Arm hält ihm die schwere Außentür auf. Von draußen kommt ein kalter Wind. Schneeflocken treiben durch die halb offene Tür, mischen sich mit dem Gefunkel der Weihnachtsbeleuchtung.

Diesmal schaut ihn die Frau direkt an. Ihr Lächeln ist offen und freundlich.

Der Kleine sagt „Opa“ und „Nikolaus“.

Die Frau sagt: „Das ist Max. Er hat nur noch den Nikolaus im Kopf.“

Und wieder trifft ihn ihr Lächeln – freundlich und warm. Im Gehen sagt sie: „Einen schönen Advent wünsche ich ihnen noch!“

Sein „Danke“ geht im Schneetreiben unter. Aber sein Schritt ist wieder fester geworden. Und die Schuhe an seinen Füßen fühlen sich warm an.

Er kommt sich jung vor. Und irgendwie macht ihn das froh.

<© Jörg Zschocke>


Was von den Bäumen kommt

In diesem Herbst
Wollen wir die Ruhe lieben
Die Dunkelheit nicht fürchten

Die Feuer sollen lodern
Über den Dächern braust der Wind
Auf den Straßen laufen schnelle Füße

Lasst uns singen
So wie zu anderen Zeiten
Lachen ist doch Lebenselixier

Wenn die Zeit kommt
Steht der Stern am Himmel
Bruder… zu Bruder

In den Häusern
Zündet die Kerzen
Denkt auch an jene

Die abseits stehen
Und auch an die
Die säen

<© Sabine Fenner>


LEBENSKÜNSTLERIN

Tief und weit verzweigt deine Wurzel,
erzählst eine große Geschichte.

Du bewahrst dich selbst,
du Überlebenskünstlerin.

Hunderte Winter kannst du überleben.
Kräftig in der Wurzel – Lebensbaum.

Keiner kann mehr über die Ewigkeit erzählen.
Heilig bist du!

Tobende Stürme, mangelhafte Ernährung,
gleichst du wissend aus.
Dein dynamisches System speichert kräftig.

Unter der mächtigen Krone nehmen wir gerne Platz.
In der Hoffnung, das Leben so gut zu meistern wie du.

<© Xenia Hügel>


neulicht

ein bewegtes jahr
legt sich zur ruhe
um dein herz
tanzen schatten
(rock ´n´roll)
bis sie sich dem letzten
leuchten der nacht (rau)
anvertrauen
ach, dein wort
begibt sich
zur ruhe
und neues
entwirft bereits
sein licht

<© Diana Jahr>


Überfahrt

Kreisen auf offenem Meer
zerbrechlich Körper und Kahn –
der Horizont eine Fata Morgana

jeder Fixpunkt
ein Kraftfeld

Hoffnung
auf sternklare Nacht

<© Barbara M. Hauser>


Guinea-Bissau (Djiu di Galinha)

für Super Mama Djombo, Dulce und Sylvain

es gibt keine anderen als politische gedichte
keine anderen als vom kampf
für das lesen
die bildung
und die liebe
des kindes zu seinem huhn
erleuchtete den ganzen himmel
und das gesicht der mutter
mit stille
bescheidenheit
rührung
und als der tag sich in der nacht versteckte
war auch das huhn tot

<© Werner Weimar-Mazur>


.
Kälteeinbruch
Ich hülle meine Hoffnung
In warme Wolle
.
<© Monika Reinfurt>


Hoffnung

Irgendwo muss sie noch schlummern,
hinter all dem Nebel um mein Herz.
Schwere Schwarten sinken tief,
dringen ein in Herzenskammern.

Verschlossene Träume
warten hinter Sehnsuchtsgittern.
Was einmal laut war bricht nun leise,
fällt entzweimillionen.

Wann kommt der Frühling, geht die Nacht,
kommt der Morgen und küsst mich wach?

Hoffnung,
es wird nun Zeit aufzukeimen,
sich zu beeilen!

Scherbenhaufen glänzt im Sonnenlicht.

Hoffnungsschimmer.

<© Julie Greiner>


herbstblätter

hier sind sie: die überreifen wörter
fiebrig bebt ihr dunkler grund
süß und bitter zugleich

es sagt sich so leicht:
dreh den schlüssel im schloss
verstecke die verbliebenen bücher
verschließ deine sprache, dein haus
bleib nicht stehen, geh nachts
im innersten schutz des schweigens

doch du hast keine wahl

ein weiter weg wird sichtbar
für den, der dem winter vertraut

<© Gabriele Pflug>


Melancholie

Dezembernacht. Jetzt kapselt sich das Jahr
in sprachloses Dunkel. Den Mond umhüllt
Erinnerung. Sie treibt mich um. Einst war
von glühendem Purpur die Zeit erfüllt.

An kaltem Glas sprosst Silberfarn zuhauf
und Reifgerten ranken im Sternenlicht.
Aus Atemluft gewebt strebt Gras hinauf
in gleißendem Frostweiß, keimt dicht an dicht.

Es fröstelt mich beim fernen Glockenschlag,
die Eisblumenwiese blüht ohne Ton.
Gedankenschwer beginnt der neue Tag,
ich hoffe auf Sommer mit rotem Mohn.

<© Elke Kaminsky>

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